Hilfsmittel sind für Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder chronischen Erkrankungen häufig lebensnotwendig. Ein Rollstuhl kann durchaus wiedereingesetzt werden, sollte er bei seinem Erstbesitzer nicht mehr gebraucht werden. Muss aber eine ganze Ladung Sondennahrung entsorgt werden, nur weil der Betroffene auf eine andere Nahrung umgestellt wurde? Über die Nachhaltigkeit in der Hilfsmittelversorgung habe ich mit einer großen deutschen Krankenkasse gesprochen. Im Durchschnitt bezahlt diese Krankenkasse jährlich nach eigenen Angaben 5 Millionen Hilfsmittel aller Art.
Akute Verschwendung, Spenden verboten
Die Inspiration zu diesem Artikel kam aus einem ganz schlimmen, verschwenderischen Vorfall in meinem eigenen Leben. Kurz zu mir, ich bin Laura und werde über eine Sonde ernährt. Dafür erhalte ich spezielle Sondennahrung. Da ich nach einigen Jahren immer dasselbe nicht mehr vertragen habe, wurde die Nahrung umgestellt. Aus Platzgründen habe ich alle Flaschen immer direkt aus den Kartons herausgenommen und sie in einen Schrank verstaut. Zum Zeitpunkt, als die Umstellung stattfand, hatte ich im Vorrat noch ca. 120 Flaschen der alten Nahrung. Ich selbst konnte sie nicht mehr aufbrauchen, mein Magen wollte das einfach nicht mehr haben. Ich bat meine Versorgungsfirma diese abzuholen, da ich dachte, dass diese dann einfach jemand anderem gegeben wird, der sie benötigt. Netterweise bekomme ich gesagt, dass die Nahrung dann sowieso nur weggeschmissen wird. Also wollte ich sie spenden. Kurz bevor ich dies tun konnte, bekam ich die Information von der Krankenkasse, dass sie auf eine Abholung durch den Versorger bestehen. Im Grunde genommen bestehen sie somit auf die Entsorgung. Alle 120 Flaschen wurden somit von der Versorgungsfirma nach langem hin und her abgeholt und entsorgt. Diese 60 l Sondennahrung hätten in einem Entwicklungsland die Versorgung eines Kindes für ungefähr einen Monat sichern können.
Doch grundsätzlich ist das Nachhaltigkeitsprinzip in der Hilfsmittelversorgung gar nicht neu. Schon seit vielen Jahren werden durchschnittlich 86.000 Hilfsmittel wie Rollstühle oder Rollatoren von den Krankenkassen zurückgeholt, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Auf meine Nachfrage, was mit diesen Hilfsmitteln nach der Abholung geschieht, antwortet mir die Krankenkasse, dass die Hilfsmittel von den entsprechenden Sanitätshäusern zurückgeholt werden würden. Dort, einer streng regulierten Reinigung unterzogen werden würden, um danach technisch instandgesetzt zu werden. All dies muss geschehen, bevor das Hilfsmittel zu seinem neuen Einsatzort gebracht werden würde. Durch die reguläre Instandsetzung ist laut eigenen Angaben auch die Sicherheit des Zweitbesitzers zu jeder Zeit gewährleistet. Kommt das Hilfsmittel nicht direkt wieder zum Einsatz, so wird es beim entsprechenden Sanitätshaus eingelagert. In einem digitalen System erfassen die Krankenkassen, die aktuell bestehenden Hilfsmittelressourcen und prüfen vor der Neuanschaffung, ob im Pool schon etwas passendes vorhanden ist. Sollte dies der Fall sein, so wird das Hilfsmittel an seinem neuen Bestimmungsort gebracht.
Sollte ein Hilfsmittel nicht mehr in einem wiedereinsetzbaren Zustand sein, so überlässt die Kasse es dem Sanitätshaus. Meist dient das aussortierte Hilfsmittel als Ersatzteillieferant oder wird in seltenen Fällen auch in ein Entwicklungsland gebracht, in welchem es keine gute Versorgung gibt.
Grundsätzlich wiederverwendbare Hilfsmittel sind jedoch nur ein Teil der gesamten Hilfsmittelversorgung von Menschen mit schweren Erkrankungen. Gerade Hilfsmittel zum einmaligen Einsatz wie Katheter oder Kompressen verursachen eine Menge Müll. Dieser entsteht nicht nur durch die Verpackung, welche höchstwahrscheinlich aus Plastik gefertigt ist. Nein, auch die Hilfsmittel selbst sind nicht nachhaltig, wiederverwendbar oder gar biologisch abbaubar. Alternativen gibt es schon, gerade wenn man sich mit seiner eigenen Versorgung auskennt, ist es nicht schwer, sich selbst Alternativen zu beschaffen. Hier mal ein Beispiel:
Eine Alternative zu den gängigen Schlitzkompressen
Schlitzkompressen kommen sehr häufig in der Versorgung einer PEG-Sonde oder eines Buttons zum Einsatz. Je nach Anordnung des Versorgers oder der Ärzte muss diese ein bis zweimal am Tag gewechselt werden. Das macht im Monat einen ungefähren Verbrauch von 60 – 70 Schlitzkompressen. Diese werden nach dem Gebrauch entsorgt. Das geht auch anders, allgemein gesehen muss die Einstichstelle nicht steril versorgt werden. Somit ist es ausreichend, wenn ein Pad eingesetzt wird, das waschbar ist. Es ist einfach, aus einem alten Handtuch, ein kleines rundes Pad zu nähen. Dieses lässt sich sogar verschließen und ist somit vor dem Sturz in den Dreck geschützt. Außerdem kann es ein schickes Muster haben. Das gefällt nicht nur Kindern.
Die Förderung nachhaltiger Versorgung
Natürlich ist nicht in allen Bereichen eine plastikfreie Hilfsmittelversorgung möglich. Es wäre jedoch durchaus sinnvoll, wenn die Möglichkeiten nachhaltiger Versorgung eruiert und gefördert werden würden. Auf meine Nachfrage hin antwortet mir die interviewte Krankenkasse, dass die Wahl der Hilfsmittel durch den verordnenden Arzt getroffen werden würde. Ebenso müsse ein Hilfsmittel im Hilfsmittelkatalog des GKV Spitzenverbands gelistet sein, damit es verordnungsfähig ist. Der Befragten Kasse liegen bezüglich nachhaltig produzierter Hilfsmittel keine Daten vor. Meine Anfrage beim GKV Spitzenverband blieb bis dato unbeantwortet.
Textquelle: Laura Mench, Blog von Laura (externer Link)
Bildquelle: Laura Mench